Landwirtschaft zwischen Ast und Borke
Der NABU erklärt die Hintergründe der Agroforstwirtschaft
Nachhaltig, rentabel, naturverträglich – dies sind nur einige der Forderungen, denen eine moderne Landwirtschaft sich stellen muss. Doch wenngleich sie auf den ersten Blick unvereinbar wirken, so existieren bereits innovative Lösungsansätze. Einer dieser Ansätze ist die Agroforstwirtschaft, deren geschickte Kombination land- und forstwirtschaftlicher Flächen auch die Interessen von Landwirten*innen und Naturschutz verbinden könnte.
Agroforstwirtschaft beschreibt ein komplexes System der Landnutzung, bei dem auf einer gemeinsamen Fläche Forstkulturen (Bäume, Sträucher) mit Ackerkulturen oder Tierhaltung kombiniert werden. Der genaue Aufbau einer Agroforstfläche ist unterschiedlich und sowohl den regionalen Umständen als auch den Zielen der Anlage angepasst. Im Mittelpunkt stehen stets die Gehölze, deren Alter, Verteilung und Anordnung stark variiert und die einzeln, in Gruppen oder Streifen angelegt werden.
Vorteile von Agroforstanlagen
Doch welchen Vorteil besitzen Agroforstflächen? Die Kombination unterschiedlicher Elemente führt zu einer Vielzahl positiver, multifunktionaler Wechselwirkungen. Diese können zur Lösung mehrerer großer Probleme der Landwirtschaft beitragen.
So schützen Bäume und Sträucher den Ackerboden vor Wind- sowie Wassererosion und vermindern die Verdunstung. Ihre Durchwurzelung führt zu einer geringeren Bodenverdichtung und ermöglichen der Fläche eine bessere Durchlüftung und größere Wasserspeicherkapazität. Es kommt zu einemn verringerten Eintrag von Schadstoffen in das Oberflächen- und Grundwasser, folglich steigt die Wasserqualität.
Auch die Leistung des Bodens wird positiv beeinflusst. Neben den bereits genannten Faktoren sind hierbei vor allem eine effizientere Nährstoffnutzung, ein verbessertes Mikroklima und eine stärkere Humusanreicherung relevant. Ihr Zusammenspiel ermöglicht trotz eines geringeren Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln bessere und stabilere Erträge. Dies ist vor allem bei jährlich wiederkehrenden Kulturen spürbar.
Agroforstflächen sind jedoch auch abseits der landwirtschaftlichen Vorteile erstrebenswert. So führen die forstwirtschaftlichen Erzeugnisse zu einer erweiterten Produktpalette, zum Beispiel durch holzartige Bioenergieträger. Dies erhöht die Einkommensstruktur, auch auf andernfalls ertragsschwachen Flächen. Auch besitzen Agroforstflächen eine bessere Widerstandskraft gegenüber Unwetterereignissen.
Darüber hinaus stärken Agroforst-Flächen die Biodiversität und bedeuten dadurch einen Gewinn für den Natur- und Artenschutz. Als struktureiche Lebensräume in landwirtschaftlichen Regionen stellen sie wichtige Rückzugsgebiete und Ruhezonen für regionale Arten dar. So sind Arten wie die Goldammer oder der Neuntöter auf Feldgehölze, Hecken und Brachflächen mit einzelnen Büschen und Bäumen angewiesen. Bäumen und Sträuchern binden zudem Kohlenstoff und kommen damit dem Klimaschutz zugute.
Schlussendlich profitieren auch Kommunen von Agroforstanlagen. Die unterschiedlichen Elemente führen zu einer Bereicherung und ästhetischen Aufwertung des Landschaftsbildes mit positiven Auswirkungen auf Tourismus und Lebensqualität. Nachhaltige Landwirtschaftsstrukturen und lokale Absatzmärkte werden gebildet und unterstützen eine Wertschöpfung mit regionalem Fokus.
Agroforstwirtschaft in Sachsen-Anhalt
Agroforstsysteme können prinzipiell in allen Regionen Deutschlands eingesetzt werden und stellen dabei fast immer eine Bereicherung der Kulturlandschaft dar. Besonders geeignet sind sie jedoch in strukturarmen, großflächigen Landstrichen mit guter Bodenqualität. Strukturreichtum und Wechselwirkungen ermöglichen hier einen langfristigen Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und somit eine zukunftsorientierte Bewirtschaftung.
Diesen Kriterien entsprechend, existieren auch in Sachsen-Anhalt viele sinnvolle Standorte für Agroforstanlagen. Ihre Umsetzung scheitert dabei vor allem an rechtlichen und wirtschaftlichen Bedenken. Einerseits sorgen so Konflikte um Pachtland, Absatzmarkt und Vermarktung bei vielen Landwirten*innen für Zurückhaltung. Andererseits bereitet die Kombination von Forst- und Agrarflächen manchen Landwirten*innen Sorge. Es wird befürchtet, dass Gehölzen und Ackerkulturen um Licht, Nährstoffe, Wasser und Wuchsraum konkurrieren. Jedoch können Probleme dieser Art in der Regel durch sorgfältige Planung und fachgerechte Bewirtschaftung vermieden werden.
Hinzu kommt, dass bei Agroforstanlagen die Kosten für Etablierung und Bewirtschaftung höher als bei klassischen Systemen sind. Die vergleichsweise langsam wachsenden Gehölze führen zudem zu einer langfristigen Kapital- und Flächenbindung. Gerade bei diesem letzten Punkt wäre es sinnvoll, mittels finanzieller Unterstützung Anreize zu schaffen, beispielsweise durch die Förderung positiver Ökosystemleistungen. Konkretere Förderrichtlinien könnten zudem bürokratische sowie rechtliche Unklarheiten beseitigen und einen einfacheren Zugang für interessierte Landwirte*innen schaffen.
Agroforst – Ein Ausblick
In Zeiten von Klimawandel und schwindenden Arten liefert die Agroforstwirtschaft wichtige Impulse. Besonders bemerkenswert ist dabei ihre Fähigkeit, die Interessen von Landwirtschaft und Naturschutz gleichermaßen zu berücksichtigen. Und obwohl eine flächendeckende Anwendung der Agroforstwirtschaft derzeit noch an verschiedenen Vorbehalten und Hindernissen scheitert, ist eine Lösung in jedem Fall möglich. Damit könnten Agroforstflächen tatsächlich den großenn Schritt in Richtung einer nachhaltigen, rentablen und naturverträglichen Landwirtschaft darstellen.
Literatur
[1] Christian Böhm, Rico Hübner (Februar 2020) Bäume als Bereicherung für landwirtschaftliche Flächen - Ein Innovationskonzept für die verstärkte Umsetzung der Agroforstwirtschaft in Deutschland
[2] Wolfgang Zehlius-Eckert, Penka Tsonkova, Christian Böhm (Dezember 2020) Umweltleistungen von Agroforstsystemen
[3] Michael Kanzler, Christian Böhm, Thomas Domin (August 2020) Vergleich von Agroforstwirtschaft und konventioneller Ackerbewirtschaftung bezüglich Energiebilanz und Bewirtschaftungsbedingter Treibhausgasemission
[4] Michael Kanzler, Christian Böhm (April 2020) Agroforstliche Landnutzung als Anpassungsstrategie an den Klimawandel
[5] Julia Ehritt (August 2020) Naturschutzfachliche Anforderungen an Agroforstsysteme
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