Flächennutzungsdruck und Umweltschutz
Welche Gefahren eine Nutzung stillgelegter Flächen birgt
Der Konflikt im Osten Europas hat Sorgen um die Lebensmittelversorgung in der Welt geschürt. Man befürchtet Preisanstieg und Versorgungsengpässe, vor allem im globalen Süden. Um dieser Situation Herr zu werden, hat die Europäische Union Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung freigegeben, welche ursprünglich dem Umweltschutz angedacht waren.
Im Sinne einer „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) sollte jeder landwirtschaftliche Betrieb mindestens vier Prozent seiner Fläche unbewirtschaftet belassen. Die betroffene Fläche entspräche in der EU einer Größe von ungefähr 1,5 Millionen Hektar (ha). [1] Zusammen mit Vorgaben zum regelmäßigen Fruchtwechsel sollten so Boden und Umwelt entlastet werden. Im Zuge des wachsenden Flächennutzungsdrucks wurden nun Ausnahmen für das kommende Jahr beschlossen. Ein Beschluss, der jedoch umstritten ist.
Kritik von Expert*innen aus beiden Lagern
Anlass zu Skepsis besteht bereits beim Nutzen der Maßnahmen. Die Bestimmungen zum Fruchtwechsel auszusetzen, würde den Anbau von Weizen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren ermöglichen. Wissenschaftlichen Berechnungen zufolge könnten damit bis zu 3,4 Millionen Tonnen mehr Weizen erzeugt werden. Eine Nutzung der Brachflächen würde sogar nur einen Mehrertrag von einer Million Tonnen Getreide bedeuten. [2] Zum Vergleich: Nur die 27 EU-Staaten hatten 2022 einen Gesamtertrag 275 Million Tonnen. [3] Die Bewirtschaftung stillgelegter Flächen entspräche somit weniger als 0,4 % - der Nutzen für den Welthunger bleibt minimal.
Dem gegenüber steht jedoch ein enormer ökologischer Schaden. Bereits stillgelegte Flächen landwirtschaftlich zu nutzen, befördert eine Reihe existierender Probleme. Artensterben durch Pestizide, Treibhausgase durch mineralischen Dünger – das alles führt zu einer Verschärfung der Klima- und Naturkrise. In der Folge nehmen Extremwetterlagen und Hitze zu, die schon jetzt die größte Bedrohung der globalen Ernährungssicherheit sind. Nutzen wir die stattgegebenen Ausnahmen, kann das diese Proble,e weiter befeuern und uns in Zukunft vor noch größere Herausforderungen stellen.
Auf der Suche nach Alternativen
Naturschutz und Landwirtschaft sollten keine Widersprüche sein. Eine langfristige Versorgungssicherheit lässt sich nur unter Einbezug ökologischer Schutzmaßnahmen erreichen. Artenvielfalt und naturnahe Lebensräume erhöhen die Widerstandskraft unserer Landschaft und fördern wertvolle Ökosystemleistungen wie Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit und Kohlenstoffspeicher.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es eines Wandels von Landwirtschaft und Tierhaltung. Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche [4] in Deutschland werden derzeit für die Produktion von Futtermitteln benutzt. Der Ertrag weiterer Flächen dient der Energiegewinnung und ein nicht unerheblicher Teil landet schließlich im Müll. So beträgt die Lebensmittelverschwendung in Deutschland 12 Millionen Tonnen – 52 Prozent davon in privaten Haushalten. [5]
Diese Bereiche zugunsten der Lebensmittelproduktion zu senken, besitzt ein enormes Potential. In Zusammenarbeit mit Politik und Landwirt*innen können wir eine naturverträgliche widerstandsfähige Form der Landwirtschaft aufbauen, welche die Versorgung sicherstellt und der Klimakrise trotzt.
Quellen
[1] Offizielle Seite der Europäischen Union (Juli 2022) Pressemitteilung - Kommission schlägt zur Steigerung der Getreideerzeugung vorübergehende Abweichung von bestimmten Vorschriften der Agrarpolitik vor
[2] Offizielle Seite der Bundesregierung (August 2022) Mehr Flächen für zusätzliches Getreide
[3] Offizielle Seite der Europäischen Union (August 2022) Getreidestatistik
[4] Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (August 2022) Was wächst auf Deutschlands Feldern?
[5] Umweltbundesamt (Mai 2022) Ein Drittel der Lebensmittel wird verschwendet
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